Das hat jetzt beides nicht so eindeutig mit Interozeption oder Propriozeption zu tun.
Da weiß ich jetzt nicht, ob man es dem einen oder anderen mehr zuordnen kann. Aber es heißt, dass praktisch im Bewegungsapparat in der Sensorik eine starke akti-ve Hintergrundaktivation stattfindet.
Günter Lehmann: Auch das klingt ja wieder hochspannend. Ich selbst liebe es beide Bereiche zu be-rücksichtigen, nicht nur die Interozeption, obwohl ich jetzt ein bisschen ein Fan ge-worden bin. Das Thema Interozeption wurde ja auch lange vernachlässigt. Mittler-weile gibt es hierzu ja auch mehr aussagefähige Forschungsergebnisse. Mir ist die-ses Thema aber auch deswegen wichtig, weil z.B. sinnliche Berührungen eine Ver-bindung zum emotionalen Gehirn, unseren Mittelhirn besitzen.
Jetzt wollte ich noch zur einer Frage überleiten. Im Lehrbuch Faszien beschreibst du im Kapitel 2.3die Reizaufnahme der Interozeption, sie geschieht über die freien Nervenendigungen, weiterlaufend über die Lamina im Rückenmark, verläuft dann über den Thalamus bis zur Inselrinde, ein hohes Integrationsniveau der ankommenden Reize besteht im Bereich der vorderen Inselrinde und dem angrenzenden Bereich des vorderen Gyrus cinguli. Diese bilden zusammen ein Emotionsnetzwerk. Die limbische Inselrinde ist für die sensible Wahrnehmung und für bewusste Gefühle zuständig. Alle wesentlichen Empfindungen im Bezug zum Körper und ganz wichtig, für die Homöostase, werden über diese Gehirnstruktur gesteuert. So wird es in diesem Kapitel beschrieben.
In diesem Zusammenhang taucht für uns Physiotherapeuten und Bewegungsfach-kräfte natürlich auch Fragen auf: Inwieweit sollten bei Aktivitäten zur Schmerzbewältigung, Lösungen von myofaszialen Störungen, Spannungsregulationsstörungen auch wohltuende, sanfte Behandlungsverfahren oder sanfte Aktivitäten zum Einsatz kommen? Für mich würde das in der praktischen Umsetzung bedeuten, dass in der Einzeltherapie, aber auch in Faszien-Präventions- oder Rückenkursen, z.B. in Partnerarbeit, sanfte Berührungsaktivitäten mit Achtsamkeitsverfahren und Wahrnehmungslenkungen gekoppelt werden können.
Dr. Robert Schleip: Ja, da kann ich nur ja sagen. Also eindeutig. Ein Wohlfühlen ist für solche interozeptive Störungen eine sehr, sehr wirksame Komponente. Und wenn das Wohlfühlen auch noch in einem Kontext von Safty von Sicherheit stattfindet. Also das man völlig aus dem Denken aus der Ängstlichkeit herauskommt, dass könnte evtl. für mich gefährlich sein. Und das ist ein ganz wesentlicher Faktor, dass das Gehirn eher in einer Wohlfühl- / Neugier-Bereich sich befindet und nicht in einem: „Oh, ich muss aufpassen, es könnte gefährlich sein“, sich befindet. Und das sind die Qualitäten die du angesprochen hast natürlich sehr sehr wichtig. Ganz spannend finde ich die Forschungen von dem Burt Craig, das war so ist immer noch einer der Vorreiter der modernen Interozeptions-Forschung, und der hat eben gezeigt, dass diese Verbindung zur Insular von den freien Nervenendigungen in der Peripherie, die läuft natürlich über das Rückenmark, das wir Menschen da eine direktere Verbindung haben, die bei den meisten Tieren eher indirekt stattfindet. Er hat es philosophisch ganz spannend so interpretiert, dass das Gefühl von selbst, das es gibt mich und diese Arm gehört zu mir und die Tischplatte gehört nicht zu mir, dass das ganz stark mit der Interozeption verbunden ist und wenig mit der Propriozeption.
Von daher auch etliche psycho-somatische und auch psychiatrische Störungen, die mit einem nicht so gesunden Gefühl von wer bin ich, und es gibt mich und ich bin ein lebendiger Oganizität, ich bin nicht viele, sondern ich bin ein Mensch.
Dieses Selbstgefühl, es kann ja bei einzelnen nicht nur schizophren, sondern anderen Persönlichkeitsstörungen gestört sein, dass das durch interozeptive Übungen vermutlich mehr gefördert wird als durch rein propriozeptive Übungen.
Günter Lehmann: In diesem Zusammenhang sind mir Übungen für Menschen mit posttraumatischen Stressstörungen bekannt, die unter Persönlichkeits- und Körperwahrnehmungs-störungen leiden. Dabei werden selbstständig Abklopfungen am ganzen Körper durchgeführt. Die sinnlichen Wahrnehmungen werden stimmlich, ähnlich wie beim positiven Selbstgespräch, unterstützt. Die betreffende Person sagt dann laut vor sich hin: „Das ist meine Hand, das ist meine Hand, das ist mein Unterarm, das ist mein Unterarm. So wird von einer Stelle zur nächsten der ganze Körper abgeklopft, und das jeweils mit der stimmlichen Unterstützung. Es wird auch mit den Füßen gestampft. Ziel ist es u.a. eine geistige, seelische und körperliche Integrität zu erzielen, Angst- oder Zwangsgedanken zu überwinden und besser in den eigenen Körper ruhen zu können. Hier sehe ich Verbindungspunkte zur Interozeption und möglichen therapeutischen Strategien.
Was meinst du dazu?
Dr. Robert Schleip: Wunderbar. Das finde ich super. Also wenn man dann als Therapeut nicht als klassischer Feldenkrais-Lehrer sagt, welche Schulter ist näher am Ohr und wenn ich auf Rückenlage liege, welches Schulterblatt hat die glattere Bodenauflagefläche, das wäre die Frage, die eher für Rückenschmerzpatienten bei der die Propriozeption gestört war geeignet ist. Sondern wenn man bei den Patienten dann fragt in welchem Arm fühlst du dich lebendiger.
Günter Lehmann: Ja.
Dr. Robert Schleip: Und spürst du das Kribbeln, als Energiefluss, als unterschiedliches Wärmegefühl,
dann habe ich eine bessere Fragestellung erreicht, um im Gehirn über die Insular ablaufende Kopplungen anzuregen.
Günter Lehmann: Über solche Fragestellungen, werden Empfindungsanregungen und Verarbeitungsprozesse ausgelöst und in den genannten Gehirnarealen besser angedockt.
Dr. Robert Schleip: Ja.
Günter Lehmann: Ja, da gibt es einen schönen Leitsatz in der Faszientherapie oder Faszien-Präventionskursen. Ich weiß nicht von wem dieser Leitsatz geprägt wurde. Man hört es immer wieder, ich habe ihn selbst immer gern verwendet. In der Szene der Fas-zientherapeuten und Kursteilnehmern gibt es den Leitsatz: „Faszien lieben es ge-drückt, geschoben, gezogen, verdreht und bewegt zu werden.“ Und wenn man jetzt einfach mal diese Erkenntnisse nimmt, die wir gerade erörtert haben, die Sensorik, die Propriozeption, die Interozeption müsste der Leitsatz meiner Meinung nach wie folgt lauten: „Faszien lieben es gedrückt, geschoben, gezogen, verdreht, bewegt, sanft berührt und unterschiedlich stimuliert zu werden.“ Oder einfach gesagt: „Fas-zien lieben es auf unterschiedliche Art und Weise stimuliert und aktiviert zu werden.“
Ist das ein Leitsatz, wo du dich als Faszienforscher mit einverstanden erklären kannst, oder sagst du: „Das ist nicht umfassend genug, oder dass ist mir zu platt“?
Dr. Robert Schleip: Ja, als Faszientherapeut finde ich das wunderbar. Als Wissenschaftler darf man nicht sagen „Faszien lieben es…“ Es sind ja keine Lebewesen, das sind ja keine Fischlein, die sagen wir freuen uns, die Fibroblasten mit denen ich mich viel beschäftigt habe, die sehen zwar aus wie kleine Fischlein, aber die sind nicht glücklich und unglücklich, sondern die verändern ihren Stoffwechsel je nach unterschiedlichen Belastungsreizen und insofern stimmt es im übertragenen Sinne schon. Die Fibroblasten weben ein verfilzteres Bindegewebe, wenn sie mit Bewegungsmangel gestraft werden, so zu sagen. Da wurde eindeutig gezeigt, z.B. in den Forschungen von Tero Jaervinen, dass eine gesunde scherengitterartige Faszienstruktur, dass die sich in eine chaotische, proliferative, filzartige Geometrie verändert, wenn man dasselbe Gelenk jetzt z.B. mehrere Wochen in Gips bandagiert hat. Das heißt Bewegungsmangel führt zu einer wucherartigen Fibrose.
Aber ob man da sagt, die lieben das oder lieben das nicht, also als Therapeut, darf man das sagen. Aber ich würde das in einem wissenschaftlichen Fachartikel nicht sagen, die passen sich jeweils mit dem Stoffwechsel auf unterschiedliche Belastungskontexte an und so kann man das auf jeden Fall sagen, wenn sie unterschiedlich stimuliert werden, aber immer nur im physiologischen Rahmen, also man könnte eine Faszie auch auf 20 Arten verletzen, dass wär dann eher eine wucherartige Proliferation, die man dann hinterher hat, aber das man versucht das Hüftgelenk oder das Schultergelenk, ich glaube es nicht wichtig, wie oft es am Tag bewegt wird, sondern wie unterschiedlich es während einer Woche belastet wird. Dann wächst die Geometrie von dem Schultergelenk auch so, dass sie diese unterschiedlichen Bewegungsstimulationen auch mehr ermöglicht. Die Faszien passen sich auf die wiederkehrenden Bewegungsbelastungen an und wenn ich ein elastisches dehnbares Gewebe haben will, dann ist natürlich gut möglichst unterschiedliche Belastungsreize im Laufe einer Woche, also unterschiedliche Winkel vor allen Dingen, aber auch Druck, Schub, Drehbewegungen auf das Gelenk, auf die Struktur einwirken zu lassen.
Günter Lehmann: Dann macht es doch großen Sinn, weil wir Menschen bedingt durch Arbeits- oder Vorzugshaltungen ja oft stereotype Haltungs- und Bewegungsmuster einnehmen, ein vielfältiges Bewegungsverhalten aufzubauen. Mir fällt auf, dass sich ganz viele Menschen in einer eher gekrümmten Haltung befinden. Ich habe für mich für dieses Phänomen, die Bezeichnung „Flexions-Dominanz“ entdeckt. Diese Flexionsdominanz ist im Alltag insgesamt sehr verbreitet. Andere Bewegungsformen treten häufig in den Hintergrund. Natürlich gibt es auch weitere stereotype, oftmals berufsbedingte, Bewegungsmuster. Deinen Ausführungen zufolge macht es doch großen Sinn, die einzelnen Gelenk- und myofaszialen Strukturen in unterschiedliche und vielfältige Art und Weise regelmäßig zu stimulieren, besonders die im persönlichen Alltag vernachlässigten Bewegungsformen. So könnte wieder mehr Geschmeidigkeit, Elastizität aufgebaut und die Gelenkstrukturen gesund erhalten werden.
Dr. Robert Schleip: Ja, da gibt es diese Anlehnungsart-Theorie von dem neuseeländischen Anthropolo-gen, Mac Neal Alexander, der hatte beobachtet, dass Affen üblicherweise im Alter relativ immunisiert sind ,gegenüber den bei uns Menschen im Alter sehr häufigen Gelenkdegeneration-Pathologien, also wie Arthrose oder rheumatischer Arthritis. Und dass die bei den Affen normalerweise sehr, sehr selten im Alter sind, außer wenn die in einem verbotenen nicht artgerechten Zoo gehalten werden. Dann neigen sie zu menschenähnlichen Degenerationen. Und da hat er eben die Hypothese aufgestellt, für die es jetzt starke Hinweise gibt, die vermutlich auch stimmen, das unsere menschlichen Degenerationen, wie z.B. ,die im Alter doch sehr häufig zunehmenden Hüftgelenksarthrosen, das haben eben Affen in einem artgerechten Zoo haben das nicht wenn sie älter werden, das dies mit dem ungenügenden Bewegungsbereich, Gebrauch im Alltag während einer Woche zusammenhängt. Und das hat er also untersucht mit zwei Kamerateams hat er geschaut, wie wird das Schultergelenk, wie wird das Hüftgelenk, wie wird das Kniegelenk, also der ganze Bewegungsapparat im normalen Dschungelverhalten von Schimpansen belastet, also wann belasten die das Hüftgelenk bei 0° Flexion, bei 270 ° Flexion, Außendrehung, Innendrehung und wie machen wir Menschen das in einem ganz normalen Stubenhocker-Büroalltag und die Gelenke bei denen wir uns affenartig lasten, also über das gesamte uns zur Verfügung stehende Gelenkbewegungsspektrum hinaus, bleiben wir affenartig gesund und auch verschont vor diesen Altersdegenerationen, z.B. beim Ellbogengelenk und bei den Gelenken wo wir nur einen Bruchteil, des uns verfügbaren Bewegungsspielraumes dreidimensional benutzen z.B. Hüftgelenk, da benutzen wir die 0° Stehposition und die 90° Sitzposition immer in der sagittalen Ebene und die anderen drei-dimensionalen Bewegungsbräuche, die völlige Hockstreckung, den Lotussitz nach außen gedreht, nach innen gedreht usw. die verkümmern dann.
Da ist es eben ganz spannend zumal die Gelenkarthrose beginnt nicht in den hauptbelastenden Bereichen im Zentrum des Hüftgelenks, sondern in den ungenutzten Rändern, da kippt der Stoffwechsel um und kriecht dann auch langsam in die belastenden Bereiche hinein. Und daraus könnte man eben schließen, dass es für uns sinnvoll wäre, im Alltag wieder ein großes Bewegungsspektrum einzuführen, so dass wir dann affenartig gesund bleiben.
Günter Lehmann: Na, dass klingt doch wirklich sehr interessant, weil diese Untersuchungen doch auch den Leuten Hoffnung machen, die Arthrosen im Alter als unvermeidbar einstufen. In meiner nun 30-jährigen Zeit als Physiotherapeut habe ich so viele Patienten kennengelernt, die glauben, dass Arthrosen und Gelenkdegenerationen durch das Alter automatisch entstehen, oder durch die Eltern vererbt wurden. Legt man die Untersuchungen von Mac Neal Alexander zugrunde, dann ist es doch eher zutreffender, dass sich das Bewegungs- und Haltungsverhalten mit zunehmenden Alter verändert. Bewegungsaktivitäten, Beweglichkeitsübungen werden deutlich reduziert und auch die Beweglichkeitsvielfalt nimmt insgesamt ab. Das einseitige Bewegungsverhalten im Alltag führt dann unweigerlich zu massiven Bewegungseinschränkungen und begünstigt so die Entstehung von Arthrosen. Trainingsformen zur Förderung und Erhalt der Mobilität gibt es ja z.B. beim Yoga, der traditionellen Turngymnastik oder bei der Fasziengymnastik.
Ich habe jetzt noch eine Frage zum Thema der psychotherapeutischen Körperarbeit. Eine sehr interessante Methode nennt sich „Zapchen“. Zum Abbau von Stress und Angst und zur besseren Bewältigung von posttraumatischen Problemen, werden bei dieser Methode u.a. mentale Verfahren, mit Atmung, Stimme und lösenden Bewegungsübungen verknüpft. Hüpfen, schwingen, sich locker hängen lassen, sich tätscheln, summen, gähnen, Pferdeschnauben, lachen, Atemvarianten und einiges mehr kommen beim Zapchen, oder auch Embodying Well-Being genannt, zum Einsatz. Insgesamt kann durch dieses Verfahren sowohl uns körperliches als auch emotionales System positiv angesprochen werden. Die Patienten oder auch Kursteilnehmer berichten von einer beruhigenden und körperlich lösenden Wirkung.
Kannst Du Dir vorstellen, die Zapchen Methode mit Faszientherapie-Techniken oder Fasziengymnastik zu verbinden?
Dr. Robert Schleip: Unbedingt. Ja, die Sinnlichkeit ist ja hierbei im Vordergrund. Diese Methode kommt aus dem Somatotherapien. Das ist dieser Bereich, wo der von innen erlebte Körper, Soma, das war ja die Definition von Thomas Hanna, einer der Ur-Pionier-Philosophen im Somatics, in den Somatotherapien war, das es da nicht so sehr um den objektiv-vermessenen Körper, welches Bein ist einen Millimeter länger und wie schwer ist das Bein auf einer objektiven Waage, sondern wie ist das empfundene Bein. Und da ist eben von der Julie Henderson diese Zapchen Methode, ist da ein wunderbares Beispiel und ist da in einem Atemzug mit der Eutonie, mit der Feldenk-rais Methode, mit der Alexander Technik. Und das Julie Henderson eben auch die Stimme mit einbezieht, finde ich wunderbar, muss ich wirklich sagen und immer diese Wohlfühlorientierung, dass es nicht darum geht objektive Leistung schneller zu werden, höher zu springen, sondern wie wohl fühle ich mich mit einem ganz bestimmten Geräusch, in einem ganz bestimmten Körperbereich, das ist super.
Günter Lehmann: Die Zapchen Methode könnten wir doch auch in der Praxis sehr gut mit der Faszientherapie oder Fasziengymnastik verbinden?
Dr. Robert Schleip: Nicht geschaut, welche Muskeln werden da jeweils angesprochen, wie beeinflusst das den Lymphfluss, sondern welchen Einfluss hat das auf mein Körper- und Wohlbefinden. Und wenn man jetzt guckt, welche Körperstrukturen könnte man da dem Patienten als Substrat geben, das er sich vorstellt, dass da was stattfindet, dann ist das Fasziennetzwerk natürlich viel, viel besser geeignet als die isolierten einzelnen Muskeln, die man da hat. Und wenn man dann noch ein bisschen mehr diese schwingenden Federbewegungen von Turnvater Jahn auch wieder mit dazu nimmt, dass passt ja wunderbar. Von daher ist das eine goldene Kombination, die Sinnlichkeit von der Somatics orientierten Übungen von der Julie Henderson zu verbinden, mit dem was jetzt die Faszientherapie aufbauend auf der schwedischen Gymnastik wieder erfunden und wieder entwickelt hat.
Günter Lehmann: Ich habe die Zapchen-Methode bereits bei meinen Faszienfit-Kursen angewendet. So habe ich z.B. das fasziale Dehnen, mit einen Summen, Gähnen oder Pferde-schnaupen gekoppelt. Wenn die Stimme gemeinsam in der Gruppe zum Einsatz kommt, dann entwickeln die Kurstilnehmer auch nicht so schnell ein Schamgefühl. Im Ergebnis fühlten sich die Teilnehmer anschließend lockerer und gelöster.
Dr. Robert Schleip: Ja, also passt wunderbar.
Günter Lehmann: Dann noch eine Frage zum Thema Embodiment. Ich habe verfolgt, dass du bei Ka-tapult-Übungen immer darauf achtest, dass die betreffenden Patienten oder Perso-nen ein gutes Embodiment besitzen sollten. Was meinst du mit Embodiment, sollen die Teilnehmer eine gute Haltungs- und Bewegungskompetenz aufweisen? Embodiment ist doch eigentlich mehr als nur Haltungs- und Bewegungskontrolle.
Dr. Robert Schleip: Ja, schon. Zunächst einmal, geht es darum, dass sie nicht abknicken. Also jemand der Hypermobil ist und jetzt die Übung „Fliegendes Schwert“ macht, die wenn die das nur oberflächlich machen, dann knicken die manchmal abrupt in ein Hohlkreuz ein nach oben am meisten durchgestreckte Haltung und dann kann sein, das die nach ein paar ruckartigen federnden Bewegungen, dass sie dann eher mehr Rückenschmerzen kurzzeitig danach haben als vorher. Dasselbe wäre, wenn man an der Wand die Power-Schulters, federnde Liegestütze nicht auf dem Boden, sondern gegenüber der Wand, wer die Bewegung so macht, dass er abrupt in ein Hohlkreuz reinknickt oder auch am oberen Rücken am Nacken schlagartig in eine Extension reinfällt, dass könnte dann negativ sein. Und von daher haben wir eben gesagt, es ist gut, wenn die Leute erstmal in ihren Körper sich zu Hause fühlen und da finde die Impulse von Dr. Danielle-Claude Martin die von tensegraler Bewegung spricht, finde ich eine wunderbare Sprachschöpfung übrigens. Das man das Tensegrity Konzept auch als Bewegungsqualität, also tensegral was ist nicht tensegral als Bewegungsqualität zur Beschreibung hinnimmt.
Das wäre in einem tensegral aufgespannten Körper könnte ich jetzt meine federnden Liegestütze an der Wand machen ohne das ich an einzelnen Stellen in ein Wackling, also in eine plötzliche Erschlaffung gehe, sondern das alle Körperbereiche gleichzeitig sagen, wie kann ich diese federnde Bewegung unterstützen. Und das machen dann natürlich einzelne Bereiche mit einer größeren Aufspannung und wieder andere Bereiche mit einer kleineren Aufspannung. Und da knicken sich halt manchmal einzelne Körperbereiche raus, die sagen, ich mache hier nicht mir, mach du deine Dehn-Stretching Party ohne mich. Dann verändert sich das gesamte Bewegungsverhalten. Und das kann ich jetzt über Propriozeption machen, dass also, wenn ein Patient so eine federnde Bewegung an der Wand macht, dass ich ihm die Hand an den unteren Rücken lege und sage, spür dich mal hier komm hier in eine bessere Spannung. Ich kann denen aber auch die Hände, die Füße reiben lassen, ich kann denen diese Pferdeschnauben machen lassen, ich kann die mit dem Hinterteil wackeln lassen und kann ihnen sagen, stell dir vor du bist ein Pferd, was frisch ist auf die Weide zu gehen, sich im Körper freut, du spürst kribbelnde Körperfreude überall unter der Haut, das wäre jetzt so ein sinnliches emotionales Wohlfühl-Vorstellungsmodell. Dann brauche ich denen nicht propriozeptiv die Hand an den unteren Rücken legen, sondern das ich sie in so eine positive Vorspannung, als emotionales Körpererleben hineinbringe, das ist vermutlich mehr wert.
Günter Lehmann: Ein solche Vorgehensweise würde auch schon mehr die Embodiment Methode beinhalten, bei der ja auch die Wechselwirkungen von Körper und Psyche genutzt werden. Zum Beispiel, wie fühle ich mich, wenn ich mich jetzt ganz weit strecke und mich aufspanne. Du hast mal einen schönen Ausdruck genannt, wenn beispielsweise Katapultübungen nicht so funktionell umgesetzt werden. Da sprachst du von einem kollabierten System. Die Metapher finde ich auch sehr zutreffend. Der Übende knickt in einem Körperbereich ganz lasch ein und hat nicht mehr genü-gend Spannung und Körperkontrolle.
Gerne verwende ich den Vergleich mit einem Speerwerfer. Wenn ein Speerwerfer in die maximale Streckung und Aufspannung geht, dann kollabiert er auch nicht. Stattdessen behält er einen aktiven Spannungs-bogen. Die verschiedenen Körperabschnitte sind aktiv gesichert. Eine solche bildhafte Übungsvermittlung und Anregungen zum Aufbau tensegraler Übungsformen, scheinen mir geeignet zu sein, wo Aspekte des Embodiments auch mit der Faszienfitness verbunden werden können.
Dr. Robert Schleip: Ja, der Sperrwerfer ist ein geeigneter-Typ, deswegen hat es den schon vor Tom Meyers bei Kurt Titel, bei den Muskelschienen gegeben. Ich habe das Vergnügen einen Zusatz-Ratgeber/Betreuer für Thomas Röhler, diesen olympischen Goldme-daillen Sperrwurfgewinner, auch beraten zu können. Der arbeitet auch ohne unseren klugen Rat schon seit vielen Jahren mit solchen faszialen- und ganzkörperwohlfühl- orientierten Bildern. Das könnte man jetzt vom olympischen Sport auch in den Alltag versuchen wieder mehr reinzubringen. Also, wo kann ich solche den ganzen Körper aufspannenden wurfartigen Bewegungen machen. Es geht, wenn ich eine Tempo-Taschentuchpackung an die Wand schleudere, das ich gucke, das ich das wirklich mit einer freudig vorgespannten Vorspannung heraus mache ohne das irgendwo ein einzelner Körperbereich kollabiert dabei. Aber man kann es aber auch am Seilzug machen oder mit den Gummibändern, die du hast. Die kann ich in eine Türklinke einhängen und dann eine wurfähnliche Bewegung in unterschiedliche diagonale Richtungen machen.