Viele Rückenprobleme ließen sich durch eine bessere Haltung bei Alltagsbewegungen vermeiden. Nur leider haben die meisten von uns sich schon in der Kindheit falsche Bewegungsmuster angeeignet. Wirbelsäulenexperte Dr. Reinhard Schneiderhan erklärt, wie es mit Hilfe der kleinen Haltungsschule auch als Erwachsener möglich ist, sich rückenfreundlich zu bewegen.
Für den rückenfreundlichen Alltag
Das Wasserkastensyndrom ist eine Krankheit, die es gar nicht gibt. Doch viele Menschen können sich vermutlich etwas darunter vorstellen. Denn beim Heben, der nicht selten mehrere Kilo schweren Kästen, haben Sie sich einen Hexenschuss zugezogen. „Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man die Menschen beim Hochheben beobachtet“, sagt Dr. Reinhard Schneiderhan, Präsident der Wirbelsäulengesellschaft. „Sie heben den schweren Gegenstand mit durchgedrückten Knien und einem Buckel an und das hat Folgen.“
Hätten wir einen Röntgenblick, könnten wir sehen, was wir unseren Bandscheiben da antun. Sie werden keilförmig zusammengequetscht und je häufiger das passiert, desto schneller altern die so wichtigen knorpeligen Gebilde. Sie werden porös und der gelartige Bandscheibenkern im Inneren hat nicht mehr genügend Halt. Er kann sich nach hinten verschieben und äußerst schmerzhaft auf die Nerven drücken. „Gefährdet sind vor allem jene Menschen, deren Muskelkorsett zu schwach ist“, sagt der Experte. „Wer über gut trainierte Kraftpakete verfügt, kann sich bis zu einem gewissen Punkt auch gefahrlos mit rundem Rücken bücken. Doch besser ist es sich zu bücken ohne zu buckeln.“
Heben geht auch mit geradem Rücken
Beim Heben von schweren Gegenständen gibt es zwei Möglichkeiten.
Man geht mit schulterbreit aufgestellten Füßen und geradem Rücken so weit in die Knie, bis die Hand den Gegenstand greifen kann oder man macht einen Ausfallsschritt, bei dem das Gewicht auf dem vorderen Bein lastet. Mit einer Hand ist es dann möglich den Gegenstand zu greifen.
„Bei schwereren Gegenständern geht es vor allem darum, die Beine arbeiten zu lassen“, sagt Dr. Schneiderhan, der in München-Taufkirchen, ein auf Rückenschmerzen spezialisiertes medizinisches Versorgungszentrum leitet. „Im Falle des Wasserkastens geht es darum, sich möglichst nah und hüftbreit an den Gegenstand heranzustellen. Dann die Knie beugen, mit geradem Rücken nach vorne gehen, die Kiste mit beiden Händen greifen und mit Hilfe der angespannten Rumpf-, Gesäß- und Beinmuskualtur anheben.“ Beim Absetzen dann genauso vorgehen, nur in umgekehrter Reihenfolge.
Nah am Körper und möglichst nicht einseitig
Beim Tragen selbst geht es auch darum Haltung zu bewahren. Wichtig ist es den Rücken gerade zu halten und die Last möglich nah am Körper zu halten. „Wenn die Kiste oder ein anderer Gegenstand zu schwer ist, sollte man sich Hilfe suchen, denn dann besteht die Gefahr ins Hohlkreuz zu fallen“, sagt der Wirbelsäulenfachmann. „Das ist für die Bandscheiben ebenso belastend wie das Bücken nach vorne.
Was der Rücken ebenfalls überhaupt nicht mag, sind einseitige Belastungen. Bei einer schwereren Einkaufstasche neigt sich die Wirbelsäule unweigerlich zur Seite. Rat des Experten: „Es ist bei größeren Einkäufen besser das Gewicht gleichmäßig auf zwei Taschen zu verteilen. Eine gute Alternative ist auch ein Rucksack, den man dann aber auch richtig und körpernah tragen sollte. Lässig nur über eine Schulter geworfen ist dabei nicht zu empfehlen.“ Und was tun, wenn sich einseitiges Tragen nicht vermeiden lässt? Dann am besten die Seiten regelmäßig wechseln und zwar immer bevor die Muskulatur der tragenden Seite zu sehr ermüdet.
Rückenfreundlich auch im Haushalt
Auch beim Staubsaugen und wischen, bei ein- und ausräumen von Spül- und Waschmaschine und auch beim Bügeln ist es möglich, ungünstige Belastungen des Rückens zu verhindern. Hier die besten Tipps von Dr. Schneiderhan:
Beim Wischen und Staubsaugen den Körper immer dem Bereich zuwenden, der gerade bearbeitet wird. Drehen und strecken weitestgehend vermeiden. Von Vorteil ist ein ausreichend langer Stil oder ein ausreichend langes Teleskoprohr, so dass ein Vorbeugen nicht nötig ist. Beim Wischen und Saugen unter Tisch oder Möbel nicht bücken, sondern in die Knie gehen.
Beim Befüllen der Spül- oder Waschmaschine mit Frontlader, ist es am besten mit einem Bein auf dem Boden zu knien. So ist es möglich, beide Maschinen mit geradem Rücken zu befüllen.
Beim Wäsche aufhängen ist es ratsam den Wäschekorb auf einen Stuhl zu stellen. So lässt sich permanentes bücken vermeiden. Da nasse Wäsche ein ordentliches Gewicht hat, ist es zudem gut, Wäscheteile einzeln aus dem Korb zu entnehmen.
Beim Bügeln sollte das Brett auf Hüfthöhe eingestellt sein. Außerdem ist es ratsam, sich nah an das Brett zu stellen. Extra-Tipp: Man kann den Rücken entlasten, wenn man einen Fuß immer mal wieder auf einen Kasten oder Schemel stellt.
Neue Bewegungsmuster erlernen
Jetzt, wo Sie wissen, wie Sie sich in vielen Alltagsituationen rückenfreundlicher verhalten können, geht es noch darum, die Techniken fest in das tägliche Leben zu integrieren. „Da sich viele Menschen schon über viele Jahre hinweg falsch bewegt haben, ist es fast so, als würde man etwas Neues erlernen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Bis zu 500 Wiederholungen sind nötig, um einen neuen Bewegungsablauf zu automatisieren. Es ist also wichtig, sich die rückenfreundlichen Verhaltensmuster immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und nicht erst dann, wenn man schon Rückenschmerzen hat.“