agr-magazin-33
17 BÜROARBEIT IM WANDEL Foto: © VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken Büroarbeit wird immer komplexer, flexibler (räumlich, zeitlich) und teamorientierter. In unserer heutigen Wissensgesellschaft sind unflexible und rigide Strukturen sowie klassische Nine-to-Five-Jobs überholte Konzepte. Der Wunsch nach einer flexiblen und sinnstiftenden Arbeitskultur steht ins- besondere bei den Generationen Y und Z im Vordergrund. Ein wesentliches Merkmal dieses „Neuen Arbeitens“ (New Work) ist, dass Arbeitnehmer nicht permanent an das Firmenbüro gebunden sind und die starren Grenzen zwischen Arbeitszeit und Frei- zeit zunehmend verschwinden. Besonders in den letzten Monaten hat sich gezeigt, wie gut die Arbeit aus dem Home Office funktionieren kann, denn sie bietet nicht nur den Komfort der eigenen vier Wände oder den Wegfall des Arbeitsweges, sondern er- laubt auch größtmögliche Flexibilität – auch bei der Koordination von Beruflichem und Privatem. Jüngste Daten hinsichtlich der Verhaltensweisen von Menschen im Home Office sind dagegen sehr ernüchternd: Menschen verbringen deutlich mehr Zeit im Sitzen, nur ca. 20% von Ihnen haben ergonomische Arbeitsplatzverhältnisse, be- wegen sich deutlich weniger und haben im Schnitt mehr als 5 kg zugenommen. Gerade die Zunahme an Sitzzeiten bei gleichzeitiger Reduktion der Bewegungs- aktivität bleibt nicht folgenlos. Rücken- beschwerden sind schon seit langem die Wegbegleiter unphysiologischer Arbeits- platzverhältnisse und -verhaltensweisen. Seit Jahren weisen aber immer mehr Wissenschaftler zusätzlich auf die negativen Auswirkungen des Sitzens auch auf unseren Stoffwechsel hin. Das sogenannte „seden- tary behavior“ (Sitzpassivität) ist verantwort- lich für viele schleichende degenerative Erkrankungen wie z.B. Adipositas, Diabetes 2, Bluthochdruck oder Krebserkrankungen. Dazu kommt, dass das Gehirn nicht ausrei- chend mit Sauerstoff und wichtigen Boten- und Nährstoffen versorgt wird. Aufmerk- samkeit, Konzentration, Leistungsfähigkeit nehmen spürbar ab und die Produktivität lässt nach. Kein Wunder, dass seit Jahren Schlagzeilen wie diese zu lesen sind: „Sitzen ist das neue Rauchen“, „Sitzen ist tödlich“ oder „Sitzen macht dumm“. Unabhängig davon, ob die Arbeit im Büro, zu Hause oder remote stattfindet – Ortho- päden, Bewegungs- und Arbeitswissen- schaftler fordern deswegen mehr körper- liche Aktivität, die in den (Büro-) Alltag integriert werden muss. Das heißt mehr Sitz- haltungswechsel, mehr Sitz-Steh-Dynamik und mehr Bewegung, in den zur Verfügung stehenden Räumen. Eine Faustregel lautet: 50 Prozent sitzen, 25 Prozent stehen und 25 Prozent bewegen. VOM STATISCH-PASSIVEN ZUM AKTIV- DYNAMISCHEN SITZEN Unumstritten ist, dass der Sitzarbeitsplatz neben dem Arbeitstisch immer noch die Basis jeder Büroausstattung bzw. jedes Heimarbeitsplatzes ist und trotz aller mah- nenden Hinweise, dass wir für das längere Sitzen nicht geschaffen sind, Stühle auch in Zukunft eine dominante Rolle einnehmen werden. Allerdings setzt sich auch in Folge wissenschaftlicher Erkenntnisse immer mehr die Erkenntnis durch, dass regelmäßige Be- wegung für den Erhalt unserer körperlichen und geistigen Funktionen elementar ist und somit auch dann Bewegung stattfinden muss, wo sie bisher nicht erwünscht war, aber umso wichtiger ist: beim Sitzen. Bisher war es wichtig, dass (Büro-)Stühle an die Körperproportionen der Nutzer an- passbar sind und eine optimale Abstützung der Oberschenkel, des Gesäßes und des Rückens gewährleisten. Unter stoffwechsel- physiologischen Gesichtspunkten muss ein Stuhl aber mehr können. Er muss ähnlich wie beim freien Stehen, die natürlichen und spontanen (Sitz-) Positionsveränderun- gen der Nutzer zulassen und diese sogar fördern. Diese ergodynamischen Sitzkon- zepte unterstützen so ein bedarfsgerechtes koordiniertes Zusammenspiel von Beinen, SITZEN, STEHEN UND BEWEGEN – FÜR EINEN GESUNDEN RÜCKEN UND MEHR Vorstandsmitglied im Forum Gesunder Rücken – besser leben e. V. Sportwissenschaftler und Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e. V. www.haltungbewegung.de Dr. Dieter Breithecker MENSCHEN IM HOME OFFICE VERBRINGEN DEUTLICH MEHR ZEIT IM SITZEN UND HABEN IM SCHNITT MEHR ALS 5 KG ZUGENOMMEN.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2Mzcy