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37 keln ausgesetzt sind. Aber auch degenerative Veränderungen können sich negativ auf den Muskel auswirken. So haben Schmerzen bei einem Hexenschuss 80 Prozent muskuläre Ursachen. Eine Ausnahme ist der Bandschei- benvorfall, dessen Schmerzen zu 70 Prozent auf eine Bedrängung der Nervenwurzel zu- rückzuführen ist. Aber der muskuläre Anteil beträgt immerhin noch 30 Prozent. „Deshalb gehört ein akribisches Austasten mit den Händen zwingend zu einem guten Schmerz- screening“, sagt Dr. Schneiderhan. „Ich muss den Muskeltonus ertasten, um sowohl ver- härtete als auch schlaffe Stellen möglichst genau einordnen zu können. Manchmal setze ich dabei auch elektromyografische Messun- gen ein.“ Individuelle Behandlungsstrategie Die gute Nachricht: Ist die Ursache der Rü- ckenschmerzen erst einmal gefunden, ist die nachfolgende Therapie relativ einfach. „Wichtig ist ein individualisiertes Vorgehen und wenn es die für den Patienten richtige Behandlungsstrategie ist, können oft schon einfache Maßnahmen wie Stufenlagerung, Muskeltraining, wärmende Salben oder Krankengymnastik helfen, sagt der Wirbel- säulenfachmann. „Glücklicherweise stehen uns heute moderne Medikamente, sehr wir- kungsvolle minimal-invasive Verfahren und in besonders schweren Fällen ein Schmerz- schrittmacher zur Verfügung.“ Chronische Schmerzen durch instabile Wirbelkörper Ein Grund für eine äußerst schmerzhafte und langwierige Rückenerkrankung ist eine Insta- bilität zwischen den Wirbelkörpern. Band- scheiben können bei diesem Krankheitsbild massiv unter Druck geraten und gegen die Nerven drücken. „Bei vielen kommt es zudem zum Phänomen der Schaufensterkrankheit“, sagt der Experte. „Sie gehen etwa 100 Meter und bekommen dann so starke Schmerzen, dass sie stehenbleiben müssen. Sie beugen sich dann oft ganz instinktiv weit nach vor- ne, weil sich die Beschwerden dann bessern.“ Der Grund dafür: Durch die starke Dehnung können sich die Segmente verschieben. Das verringert die knöcherne Enge, die auf die Nerven drückt. Alternative zur Versteifungs-OP Wenn konservative Maßnahmen, Schmerz- therapie und gezielte Injektionen nicht aus- reichen, die Beschwerden zu lindern oder zu beseitigen, haben Ärzte über Jahre hinweg zu einer Versteifungsoperation geraten. Ein Ein- griff, der allerdings zu Recht unter Verdacht steht, zu früh und zu häufig zur Anwendung zu kommen. „Bevor sich also jemand zu die- ser OP entschließt, rate ich dringend dazu, eine Zweitmeinung einzuholen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Sollte dann tatsächlich eine OP nötig sein, steht für manche Patienten mit Intraspine jetzt ein sehr viel schonenderes, minimal-invasives Verfahren zur Verfügung. Intraspine – die revolutionär schonende Methode Bei diesem etwa 30-minütigen Eingriff set- zen Neurochirurgen unter Mikroskop-Sicht spezielle Hightech-Puffer aus Silikon ein. Dadurch vergrößert sich der Abstand zwi- schen denWirbelkörpern. Die sensiblen und Schmerzen auslösenden Nervenstrukturen finden so wieder mehr Platz. „Der entschei- dende Vorteil bei dieser Methode ist die dynamische Stabilisierung“, sagt Dr. Schnei- derhan. „Belastbarkeit und Beweglichkeit der Wirbelsäule bleiben erhalten. Patienten können wieder ihrer Arbeit nachgehen und auch normal Sport treiben. Wir haben jetzt schon mehr als 100 Patientinnen und Pati- enten erfolgreich damit behandelt.“ Manchmal ist doch ein großer Eingriff nötig Das Intraspine-Verfahren kann allerdings nicht alle Versteifungseingriffe ersetzen. Die Ausprägung der Wirbelsäulenverschie- bung darf noch nicht zu groß sein. Mit mo- dernen bildgebenden Verfahren lässt sich das aber schnell herausfinden. Sie ist zwar kompliziert, für erfahrene Chirurgen aber meist kein Problem. Ein Problem allerdings kann auftreten: Einige Patienten klagen nach der OP weiter unter Schmerzen. „Der Hauptgrund dafür ist Narbengewebe, wel- ches sich nach der OP ausbildet und gegen die Nervenwurzel drücken kann“, sagt Rü- ckenexperte. „Patienten können dann nur bedingt was machen.“ Manchmal ist ein zweiter Eingriff nötig, um das störende Nar- bengewebe aufzulösen. Dazu eignet sich mit der Wirbelsäulenkatheterbehandlung ein weiteres minimal-invasives Verfahren. Störendes Narbengewebe entfernen „Bei der Wirbelsäulenkatheterbehandlung schiebe ich einen feinen und elastischen Ka- theter in den Wirbelkanal ein und führe ihn bis zur Nervenwurzel“, erklärt Dr. Schnei- derhan. „Dort angekommen kann ich die Verklebungen und Vernarbungen vorsichtig lösen. Gleichzeitig ist es über den Kathe- ter möglich, entzündungshemmende und schrumpfend wirkende Medikamente zu in- jizieren. Der vorgefallene Teil der Bandschei- be drückt dann nicht mehr auf den Nerv.“ Auch Selbsthilfe ist wichtig Für die Zeit nach der OP sind aber auch die Patienten gefragt. Sie sollten regelmäßig ihre Muskulatur trainieren. Denn je stärker die Muskeln, desto wahrscheinlicher ist es, dass es nicht erneut zu gesundheitlichen Problemen kommt RUND UM DEN RÜCKEN
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