Interdisziplinäre Fachbeiträge 20 AGR aktuell 2025/73 | Aktion Gesunder Rücken e. V. Untere Kreuzschmerzen zählen weltweit zu den häufigsten und beeinträchtigendsten Syndromen und haben daher eine erhebliche sozioökonomische Bedeutung. Neben den direkten Behandlungskosten für Rückenschmerzen fallen auch indirekte Kosten durch Arbeitsausfälle und frühzeitige Pensionierungen ins Gewicht. Kreuzschmerzen werden allgemein als Schmerzen im Bereich unterhalb des Rippenbogens bis oberhalb der Gesäßfalten definiert, die mit oder ohne Ausstrahlung auftreten können. Häufig treten begleitende Beschwerden wie chronische Müdigkeit sowie mentale Beeinträchtigungen, etwa depressive Zustände oder Angstverhalten, insbesondere bei anhaltendem LBP, auf. Low Back Pain (LBP) ist ein weltweit verbreitetes Symptom mit einer Punkt-Prävalenz von 7,3 Prozent und betrifft alle Altersgruppen. Besonders in niedrigen und mittleren Einkommensschichten führt LBP häufig zu Arbeitsunfähigkeit. Während die meisten Episoden von kurzer Dauer und ohne langfristige Konsequenzen bleiben, besteht bei einem Teil der Betroffenen die Gefahr einer Chronifizierung, die mit hohen Behandlungskosten verbunden ist. Oftmals lässt sich keine klare medizinische Ursache feststellen, jedoch zeigen Studien Zusammenhänge mit Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Übergewicht und körperlicher Inaktivität (Hartvigsen et al. 2018). In Österreich liegt die Prävalenz chronischer Rückenleiden bei etwa 24,5 Prozent bei Männern und 27,3 Prozent bei Frauen – höher als die Prävalenz metabolischer und neurologischer Erkrankungen zusammen (Statistik Austria 2019). Dies stellt das Gesundheitssystem vor die Herausforderung, akute Rückenschmerzen frühzeitig und effektiv zu managen, um eine kostenintensive Chronifizierung zu verhindern. Rückenschmerzen ganzheitlich betrachten Ein bio-psycho-sozialer Ansatz ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung des Phänomens LBP. Hierbei werden biologische, psychologische und soziale Faktoren einbezogen, um prädisponierende und aufrechterhaltende Einflüsse zu erkennen (O’Sullivan et al. 2016). Besonders bei anhaltenden Rückenschmerzen ist ein multiprofessioneller und multimodaler Therapieansatz erforderlich. In der akuten Phase hingegen steht die klinische Triage im Vordergrund, bei der zunächst sogenannte Red Flags, wie etwa neurologische Defizite oder seltene entzündliche Prozesse, ausgeschlossen werden müssen. Aktuelle Behandlungsleitlinien empfehlen vor allem Maßnahmen zur Selbsthilfe, Physiotherapie, psychotherapeutische Ansätze und in manchen Fällen komplementäre Medizin. Von einer medikamentösen Therapie sowie von zu früher Bildgebung und invasiven Maßnahmen wird hingegen abgeraten. Im Sinne der Sekundärprävention spielen edukative Ansätze sowie Übungs- und Trainingstherapie eine zentrale Rolle (Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz – Kurzfassung, 2. Auflage, Version 1, 2017). Selbstwirksamkeit und Gesundheitskompetenz fördern Ein wesentliches Ziel der Behandlung ist es, die Selbstverantwortung und Eigeninitiative der Betroffenen zu stärken. Anstatt ausschließlich auf passive Therapieformen wie Massagen, Elektrotherapie oder Infiltrationen zu setzen, sollten aktive Ansätze im Sinne der Salutogenese verfolgt werden. Dies umfasst beispielsweise Aufklärung über Schmerzen und Verlauf der Problematik, Förderung der Bewegung und den Abbau veralteter Glaubenssätze über Rückenschmerzen (Hasenbring et al. 2014; Vlaeyen u. Linton 2000). Die Politik, der öffentliche Gesundheitssektor, Beteiligte des Gesundheitssystems, aber auch Arbeitgeber müssen dabei zu einem Umdenken bewegt werden. Dieses Umdenken sollte für alle Berufsgruppen auch in der Akutversorgung zu einer Anpassung des Managements führen » Physiotherapie und Rückengesundheit Ganzheitlich handeln, Eigeninitiative und Selbstverantwortung stärken Bernhard Taxer I Physiotherapeut, OMT, EDPP
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