Interdisziplinäre Fachbeiträge 19 AGR aktuell 2025/73 | Aktion Gesunder Rücken e. V. und einer Dauer von 15 Minuten pro Einheit. In der ersten Woche bestand das GT aus Tandemständen auf instabilen Unterstützungsflächen (TOGU Balance Pad Premium). Ab der zweiten Trainingswoche wurde der Einbeinstand auf instabilen Unterstützungsflächen in das Training inkludiert. Während der Trainingswochen drei und vier wurde nur noch im Einbeinstand trainiert. Pro Trainingseinheit wurden zehn Durchgänge à 30 s absolviert. Zwischen den Durchgängen lag eine 30-s-Pause. GT+VR führte das identische Training wie GT durch und bekam zusätzlich visuelle Manipulationen in Form eines kippenden Raumes. Der virtuelle Raum kippte in der Frontalebene mit Amplituden zwischen 10 und 20 Grad und einer Geschwindigkeit von 5°/s. Vor und nach der Trainingsphase wurde das Gleichgewicht im Einbeinstand auf instabiler Unterstützungsfläche mit geöffneten Augen gemessen, was der Aufgabe entspricht, die in der Trainingsphase vorrangig trainiert wurde. Darüber hinaus wurde das Gleichgewicht im Einbeinstand mit geschlossenen Augen gemessen. Diese Aufgabe wurde während des Trainings nicht trainiert. Das Gleichgewicht in diesen Aufgaben wurde über die Schwankungsgeschwindigkeit des Kraftangriffspunktes mittels einer Kraftmessplatte quantifiziert. Beide Trainingsgruppen zeigten signifikante Verbesserungen in der trainierten Aufgabe, dem Einbeinstand auf instabiler Unterstützungsfläche. GT verbesserte sich von einer Schwankungsgeschwindigkeit von 56,6 ± 9,3 mm/s in der Eingangsmessung auf 51,6 ± 8,3 mm/s in der Ausgangsmessung. GT+VR zeigte eine Verbesserung von 62,7 ± 20,4 mm/s in der Eingangsmessung auf 51,9 ± 16,2 mm/s in der Ausgangsmessung. In der untrainierten Aufgabe, dem Einbeinstand auf stabiler Unterstützungsfläche mit geschlossenen Augen, verbesserte sich nur die Gruppe, die GT+VR trainierte. GT+VR reduzierte die Schwankungsgeschwindigkeit von 104,2 ± 36,7 mm/s auf 82,8 ± 28,8 mm/s, wohingegen GT mit einer Schwankungsgeschwindigkeit von 95,3 ± 25,9 mm/s in der Eingangsmessung und 90,1 ± 24,2 mm/s in der Ausgangsmessung keine signifikanten Veränderungen zeigte. Bei der GT-Gruppe zeigte sich ein Befund, der im Einklang mit der Spezifitätshypothese und dem damit verbundenen geringen Transfer von Gleichgewichtstraining auf ungeübte Aufgaben steht. Entsprechend verbesserten sich die Teilnehmenden in der trainierten Aufgabe, jedoch nicht in der untrainierten Aufgabe. Im Gegensatz hierzu zeigte sich nach GT+VR, dass dieses Training auch zu einer Verbesserung in der untrainierten Aufgabe führte. Dieser Befund legt nahe, dass ein Gleichgewichtstraining, bei dem die visuellen sensorischen Informationen manipuliert werden, die Abhängigkeit von visuellen sensorischen Informationen reduziert. Dadurch könnte ein Transfer auf Gleichgewichtsaufgaben, bei denen visuelle Informationen nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen, gelingen, obwohl die Aufgabe nicht explizit trainiert wurde. Fazit Diese GT+VR-spezifische Anpassung ist insbesondere in Umgebungen von Vorteil, in denen visuelle Informationen entweder fehlen oder unzuverlässig sind – ein Szenario, das in vielen realen Situationen vorkommen kann, beispielsweise in schlecht belichteten oder dunklen Umgebungen. Vor diesem Hintergrund eröffnen sich praxisrelevante Perspektiven, wie zum Beispiel die Integration von VR-gestütztem Gleichgewichtstraining bei Risikogruppen, wie älteren Menschen oder Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Der Einsatz handelsüblicher VR-Brillen in Kombination mit einer entsprechenden App ermöglicht eine niedrigschwellige, kostengünstige und einfache Integration dieser Technologie in das Gleichgewichtstraining. In zukünftigen Studien soll nun die Langzeitwirkung (> 4 Wochen) und die Übertragbarkeit auf klinische Populationen untersucht werden, um das Potenzial der Einbindung von VR-Brillen in das Gleichgewichtstraining umfassend zu prüfen. ' Kontaktinformationen Dr. Jakob Ketterer Wissenschaftlicher Mitarbeiter Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Institut für Sport und Sportwissenschaft, Trainings- und Bewegungswissenschaft jakob.ketterer@sport.uni-freiburg.de Einbeinstand auf dem TOGU Balance Pad premium mit VR-Brille Illustration der visuellen sensorischen Manipulation, die bei den Probanden der Gruppe GT+VR angewendet wurde. Die Bilder zeigen die Ego-Perspektive des Probanden in der VR-Umgebung und veranschaulichen, wie sich die virtuelle Szene entlang des angezeigten Positionsprofils bewegt.
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