Interdisziplinäre Fachbeiträge 18 AGR aktuell 2025/73 | Aktion Gesunder Rücken e. V. Die Bedeutung des Gleichgewichts reicht von einfachen Aufgaben, wie dem Stehen oder Gehen, bis hin zu komplexen Gleichgewichtsaufgaben, wie dem Balancieren auf einer Slackline. Im Alltag ist eine zielgerichtete Gleichgewichtskontrolle entscheidend, um auf Stolperer oder Ausrutscher angemessen reagieren zu können, Hindernissen auszuweichen oder ein Glas Wasser zu tragen, ohne es zu verschütten. Damit bildet das Gleichgewichtssystem eine wesentliche Komponente für die erfolgreiche Durchführung von Alltagsaufgaben und sportlichen Aktivitäten. Grundsätzlich ist die Trainierbarkeit des Gleichgewichts unabhängig von Alter, Geschlecht und Trainingszustand gegeben. Die positiven Effekte reichen von einer verbesserten Schnellkraft, die vor allem für Leistungssportler relevant ist, über die Prävention von (Sport-)Verletzungen bis hin zur Unterstützung der Rehabilitation nach Verletzungen und chirurgischen Eingriffen. Darüber hinaus trägt Gleichgewichtstraining bei älteren Menschen dazu bei, das Sturzrisiko und die Sturzrate zu senken. Eine Besonderheit des Gleichgewichtstrainings im Vergleich zu anderen Trainingsmaßnahmen (zum Beispiel Krafttraining) ist, dass die Anpassungsprozesse der Spezifitätshypothese folgen und somit bei den trainierten Gleichgewichtsaufgaben größer sind als bei untrainierten. Folglich wird das Gleichgewicht nicht mehr übergeordnet als koordinative Fähigkeit betrachtet, sondern als aufgabenspezifische Fertigkeit. Diese Aufgabenspezifität erschwert den praktischen Transfer des im Training Erlernten auf Alltags- oder sportliche Situationen, die sich von den Trainingsbedingungen und -aufgaben unterscheiden. Virtual Reality: anspruchsvollere Gleichgewichtsaufgaben möglich Gleichgewichtstraining wird oftmals auf instabilen Unterstützungsflächen durchgeführt. Dadurch wird die Zuverlässigkeit der proprio- zeptiven sensorischen Informationen reduziert, was während des Trainings zu einem verschlechterten Gleichgewichtszustand führt. Da das propriozeptive System mechanisch über die Unterstützungsfläche mit der Umwelt interagiert, bietet sich ein breites Spektrum an Trainingsvariationen an, dieses System zu manipulieren. Im Gleichgewichtstraining wird dies zumeist über Schaumstoffkissen (beispielsweise TOGU Balance Pad Premium), Therapiekreisel, Kippbretter oder Ähnlichem erreicht. Das gleichgewichtsregulierende visuelle System hingegen kann im Gegensatz zum propriozeptiven System nur binär manipuliert werden, das heißt, die Gleichgewichtsübung wird mit offenen oder geschlossenen Augen durchgeführt. An dieser Stelle bietet Virtual Reality (VR) eine Möglichkeit, die Komplexität von Gleichgewichtsaufgaben im Training vielfältig zu gestalten. VR bietet eine computergenerierte dreidimensionale Umgebung, die eine systematische und standardisierte Manipulation der visuellen sensorischen Informationen ermöglicht. So können Bewegungen der virtuellen Umgebung verwendet werden, um die Zuverlässigkeit der visuellen Informationen zu reduzieren und so in Kombination mit einem Gleichgewichtstraining auf instabilen Unterstützungsflächen größere Anforderungen an die sensorische Integration und die Gleichgewichtskontrolle zu stellen. Im Rahmen einer innovativen Studie sollten dementsprechend die Auswirkungen eines auf VR gestützten Gleichgewichtstrainings auf die Gleichgewichtskontrolle bei jungen Erwachsenen untersucht werden. Studie zu Gleichgewichtstraining in Kombination mit Virtual Reality An der Studie nahmen 22 gesunde Frauen und Männer mit einem mittleren Alter von 23 Jahren teil, die randomisiert einer konventionellen Gleichgewichtstrainingsgruppe (GT) oder einer VR gestützten Gleichgewichtstrai- ningsgruppe (GT+VR) zugeteilt wurden. Der Trainingszeitraum betrug für beide Gruppen vier Wochen mit zwei Einheiten pro Woche » Einbindung von Virtual-Reality-Brillen in das Gleichgewichtstraining Verbesserte Gleichgewichtskontrolle Jakob Ketterer, Dominic Gehring und Urs Granacher I Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Sport und Sportwissenschaft, Trainings- und Bewegungswissenschaft
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