AGR aktuell Ausgabe 73

Interdisziplinäre Fachbeiträge 13 AGR aktuell 2025/73 | Aktion Gesunder Rücken e. V. Neuroorthopädie wurde durch die „Prager Schule“ um Lewit, Vojta und Bobath begründet. Zu weiteren wichtigen Grundlagen- arbeiten zählen außerdem jene von Küggelen, Schirmer, Brügger, Cyriax und Tilscher. Moderneres Neuroorthopädie-Fachwissen geht auf Holst, Matzen und Deschauer zurück. Neuroorthopädie in der Physiotherapie nach Kiesling zeichnet sich nicht nur durch reproduzierbare Behandlungserfolge aus, sondern es lassen sich auch kompliziert erscheinende Krankheitsgeschehen rasch erkennen und gezielt behandeln. Zunächst werden schmerzentlastende Maßnahmen vermittelt. Nach Eintritt relativer Schmerzreduktion kann mit dreidimensionalen Übungen die Muskelarbeit und somit die Knochendichte verbessert werden. Das stützt wirksam die osteoporotische Knochenstruktur. Faszien-Physiotherapie zur Schmerzlinderung und Bewegungserweiterung Gemeinsam mit Prof. Dr. hum. biol. Robert Schleip (fascia research group, Ulm – heute TU München) habe ich 2015 das Konzept zur Faszien-Physiotherapie entwickelt. Diese Methode zielt besonders auf die Behandlung von Funktionsstörungen des faszialen Gewebes, der Gelenke sowie der Muskulatur ab. Dabei bezieht es ebenso die Bewegungssteuerung mit ein. Teil der Faszien-Physiotherapie sind sanfte Techniken zur Schmerzreduktion und Bewegungsverbesserung. Sie basieren auf den Grundlagen verschiedener manualtherapeutischer Verfahren, etwa der „Berliner Schule“ der Manuellen Medizin (nach Jochen Sachse und Karla Rodluff-Schild), oder denen von Geoffrey Maitland und Hede Teichrich-Leube. Bei der Faszien-Physiotherapie bei Osteoporose ist es entscheidend, den Dauerdruck auf die Knochenstrukturen zu minimieren. „Intermittierender Druck auf den Knochen vermag das lokale Knochenwachstum anzuregen, während dauernder Druck zu einer Verminderung des Wachstums führt.“, wussten L. E. Lanyon et al. schon 1976. Zum Verständnis von Faszienanatomie und -physiologie trugen wesentlich auch Prof. Carla Stecco aus Italien, Dr. Jean-Claude Guimberteau aus Frankreich und Prof. Helene Langevin aus den USA bei. Faszienforschung ist im wahrsten Sinne des Wortes faszinierend. Die wichtigsten Eigenschaften der Faszien mit Relevanz für die Medizinische Trainingstherapie bei Osteoporose sind nachfolgend aufgelistet: { Faszien sind unser wichtigstes Sinnes- organ, der sogenannte sechste Sinn. { Bereits über 250 Millionen Fasziensensoren wurden mittlerweile entdeckt und sind wissenschaftlich anerkannt worden. { Faszien haben eine sehr spezielle Architektur aus kollagenen und elastischen Anteilen. { Das durchschnittliche Gewicht der Faszien beträgt – bezogen auf einen 60 Kilogramm schweren Menschen – 20 Kilogramm. Faszien machen also circa ein Drittel unseres Körpergewichts aus. { Faszien umhüllen uns ganz und gar, wie ein Taucheranzug. Äußerlich und innerlich durchziehen sie auch die Organe und das Gehirn, Knochen, Muskeln und viele weitere Strukturen. { Faszien „mögen“ keinen Stress. { Faszien können sich binnen sieben Monaten regenerieren. { Faszien fördern durch Druck und Zug die Osteoblastenbildung im Knochen. { Entscheidend für wirksame Osteoporose- Physiotherapie ist das Zusammenspiel von Faszien- und Knochenarchitektur. Medizinische Trainingstherapie auf flexiblen Unterlagen für starke Knochen Für dieses Therapiekonzept kombiniere ich unterschiedliche Methoden, um medizinische, biomechanische und kybernetische Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Grundlage ist die bekannte Medizinische Trainingstherapie nach dem Norweger Rolf Gustavsen. Durch Beobachtungen im Alltag und im Arbeitsleben fielen ihm krankmachende, sogenannte Bewegungsstereotype auf, die er durch korrigierendes Training verbessern wollte. Dafür entwickelte er im Rahmen der Manuellen Therapie schon vor über 40 Jahren eine definierte, medizinische Form von Trainingskonzepten. Myofasziale Dehnung der langen Rückenfaszie aus gesicherter Entlastungslagerung Diagonaltraining mit Gewichtsmanschetten trainiert die Kraft- ausdauer der Rumpfmuskulatur und die Gangsicherheit.

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