AGR aktuell Ausgabe 72

Interdisziplinäre Fachbeiträge 22 AGR aktuell 2024/72 | Aktion Gesunder Rücken e. V. Die Fehlfunktion der Fibula Eine Dysfunktion des ISG korrespondiert aus meiner Erfahrung in der Regel mit einer Fehlfunktion der Fibula: Ilium rechts dorsal/ Fibula rechts proximal dorsal. Das kann eine Knieinstabilität im Sinne eines „Giving Way“ nach sich ziehen. Dann entgleitet die Beinstabilität völlig unvermutet und kann zu Stürzen führen. Oft sind primär auch Knöchelverrenkungen im Spiel. Bei einem Inversionstrauma ist die Fibula-Dorsalisierung im proximalen Bereich eine zwangsläufige Konsequenz, sodass die Läsionskette auch aufsteigend über zum Beispiel den Tractus iliotibialis auch das ISG irritieren kann. Manuelle Therapie Eine traumatisch bedingte ISG-Blockierung kann, im besten Fall, innerhalb der ersten acht Stunden nach dem Auftreten erfolgreich manualtherapeutisch reponiert werden. Falls dieser Zeitrahmen aber überschritten ist, sollte das ISG innerhalb von 48 Stunden nicht manualtherapeutisch behandelt werden. In der Regel kommen die Patienten aber erst viel später zur Therapie. Ich habe die besten Behandlungsergebnisse mit der Therapie aus der Seitenlage mit weich mobilisierender Technik erzielt. Der Patient befindet sich in Seitenlage links, der Therapeut mobilisiert das rechte Ilium nach ventral, anschließend wird aus der Seitenlage rechts das linke Ilium nach dorsal mobilisiert. Bei vorliegendem Befund wird die rechte Fibula proximal nach ventral mobilisiert. Dies geschieht im Kniestand mit 90 Grad flektiertem Knie und überhängendem/oder unterlagertem OSG. Die Mobilisation erfolgt sanft, indem die Fibula seitlich an der Tibia vorbei bodenwärts und repetitiv gedrückt wird. Myofasziale Lösung Um den erreichten ISG-Zustand zu erhalten, ist es notwendig, die beteiligten myofaszialen Bereiche zu lösen. Dies sind insbesondere: { Musculus peroneus { Musculus tibialis { Tractus iliotibialis { Musculus rectus femoris { Musculus gastrocnemius und Musculus soleus { Musculus popliteus { Hamstrings { Musculus piriformis { Musculus erector spinae { Musculus quadratus lumborum { Musculus intercostalis Myofasziale Muskeldehnung Myofasziale Muskeldehnungen eine ganze Minute lang! Die in ihrer Soll-Länge verkürzten, tonischen Muskeln dehne ich auf der betroffenen Seite des Patienten auf. Aus meiner Beobachtung und biomechanisch erklärbar, verkürzt sich in dem beschriebenen Fall der Piriformis links mehr als rechts, die Hamstrings rechts mehr als links und so weiter. Es bedarf aber immer, wie bereits erwähnt, eines Soll-Längentest des jeweiligen Muskels. Myofasziale Muskeldehnung erfolgt im „Wohlwehbereich“ eine Minute lang. Ein Federn, Zurückweichen oder Zittern ist zu vermeiden. Unterscheidung von anatomischer und funktioneller Beinlängendifferenz Eine Beinlängendifferenz ist bei etwa fünf Prozent der Betroffenen anatomisch bedingt. Funktionelle Beinlängendifferenzen sind demnach eher die Regel. Sie sind reversibel. Eine anatomisch bedingte Beinlängendifferenz von mehr als zwei Zentimetern kann mit orthopädiemechanischen Korrekturen, wie einer Schuherhöhung, ausgeglichen werden. Eine funktionelle Beinlängendifferenz nicht zu erkennen und mit einer Schuherhöhung auszugleichen, ist leider häufig geübte Praxis. Wenn dann das scheinbar kürzere Bein, in meinem Beispiel das rechte, in Rückenlage aufgrund des dorsalisierten Iliums kürzer erscheint und mit einer Schuherhöhung rechts „behandelt“ wird, verstärkt sich die rechte Dorsalisierung des Iliums manifest. Leider habe ich solche Fehlbehandlungen häufig beobachten können. Interessant waren hingegen deutliche Beschwerdeverbesserungen durch eine „versehentliche“ Schuherhöhung auf der ventralisierten Seite des Iliums. Therapeutisch ist jedoch bei funktionellen Beinlängendifferenzen generell von Schuherhöhungen abzuraten. Myofasziale Dehnung des Musculus piriformis immer eine Minute lang halten

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