Berichte aus den Verbänden 48 AGR aktuell 2023/70 | Aktion Gesunder Rücken e. V. >> Physiotherapie und Rückengesundheit Multifaktoriell behandeln und Selbstverantwortung stärken Bernhard Taxer I Physiotherapeut, Hochschullektor und Koordinator des fachlichen Netzwerks „Schmerz“ bei Physio Austria Definiert werden Rückenschmerzen allgemein als Schmerzen unterhalb des Rippenbogens und oberhalb der Gesäßfalten, mit oder ohne Ausstrahlung. Begleitend können weitere Beschwerden vorhanden sein. Zu diesen zählen chronische Müdigkeit und mentale Beeinträchtigungen wie depressive Zustände oder Angstverhalten, welche vor allem bei anhaltendem Low Back Pain hinzukommen. Chronischer Rückenschmerz belastet das Gesundheitssystem Low Back Pain ist ein sehr häufiges Symptom (Punkt-Prävalenz weltweit 7,3 Prozent), tritt in allen Altersgruppen auf und führt zu einer hohen Rate an Arbeitsunfähigkeit, vor allem in niedrigen und mittleren Lohnklassen. Die meisten Episoden sind von kurzer Dauer und ohne große Konsequenzen, allerdings kann es zu einer Chronifizierung kommen, welche dann sehr kostenintensive Maßnahmen erfordert. Bei der Mehrheit der Betroffenen ist keine klare medizinische Ursache auszumachen, jedoch scheint es Assoziationen zu Life-Style Faktoren (Rauchen, Übergewicht, Körperliche Aktivität) zu geben. Die globale Belastung durch Low Back Pain ist wahrscheinlich auch in Zukunft noch gegeben, da es nach wie vor nationale Unterschiede in der Versorgung gibt (Hartvigsen et al. 2018). In Österreich liegt die Prävalenz von chronischen Rückenleiden bei etwa 24,4 Prozent, das ist mehr als metabolische und neurologische Erkrankungen zusammen (Statistik Austria 2014). Hier steht man vor der Frage nach der optimalen Versorgung und gleichzeitig auch vor der Herausforderung, eine akute Situation nicht in eine für die Betroffenen massiv belastende und auch kostenintensivere Situation kippen zu lassen. Das biopsychosoziale Modell Die biopsychosoziale Auseinandersetzung mit dem Phänomen Low Back Pain ermöglicht eine potenziell adäquate Strategie. Diese erfasst die betroffene Person auf allen Ebenen, eben den biologisch-strukturellen, psychologischen und auch sozialen Kontextfaktoren, um mögliche prädisponierende und aufrechterhaltende Faktoren zu berücksichtigen (O’Sullivan et al. 2016). Ein multiprofessioneller und multimodaler Zugang im Management anhaltender Rückenschmerzen ist unumgänglich. In der akuten Phase erscheint dieser, mit nachvollziehbar höherem Aufwand verbundene, Ansatz allerdings weniger vorrangig. Per se geht es in dieser Phase um eine klinisch orientierte Triage, bei der vorrangig sogenannte Red Flags abgeklärt werden müssen. Bei Rückenschmerzen können das beispielsweise Schmerzen im unteren Rücken (Low Back Pain) zählen zu den am meisten beeinträchtigenden Syndromen weltweit und haben daher eine außerordentlich hohe sozioökonomische Bedeutung. Neben den Kosten für die Behandlung von Rückenschmerzen sind auch regelmäßige Arbeitsausfälle und frühzeitige Pensionierung zu bedenken, welche die Gesundheitskosten anheben. neben seltenen malignen oder entzündlichen Vorgängen auch das Auftreten neurologischer Defizite sein. Zu einem sehr hohen Prozentsatz dürfte es sich allerdings um funktionelle Beeinträchtigungen handeln, welche sich in der Regel nach vier bis sechs Wochen von alleine wieder reduzieren (Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz – Kurzfassung, 2. Auflage. Version 1, 2017). Dabei sollten Betroffene primär darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine nicht gefährliche Situation handelt (sofern untersucht und festgestellt) und man versuchen sollte, so gut es geht aktiv zu bleiben. Physiotherapeuten könnten in dieser Phase für Patienten insofern eine Rolle spielen, dass Bewegungstipps und Verhaltensstrategien angepasst werden könnten. Es zeigt sich dabei, dass von allgemeinen Bewegungsverboten abzuraten ist, da durch restriktive Vorgaben auch ein Angst-Vermeidungs-Verhalten entstehen könnte, welches mitunter einen Grund für anhaltende Beschwerden darstellt (Hasenbring et al. 2014; Vlaeyen u. Linton 2000). Aktuelle Guidelines empfehlen Selbstmanagement, Physio- und Psychotherapie, manche Formen komplementärer Medizin und raten von pharmakologischer Therapie eher ab. Ebenso wird von zu früher Bildgebung und
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