agr-aktuell-66

27 Interdisziplinäre Fachbeiträge AGR aktuell 2021/66 | Aktion Gesunder Rücken e. V. Quellenangaben (mit Zugriff 22. August 2021): Nationale Versorgungsleitlinie „Nicht-spezifischer-Kreuzschmerz: https:/ www.leitlinien.de/themen/kreuzschmerz/pdf/ kreuzschmerz-2aufl-vers1-kurz.pdf Arbeit imWandel: https:/ www.baua.de/DE/Angebote/ Publikationen/Praxis/A105.pdf?__blob=publicationFile&v=7 Das Göttinger Rücken Intensiv Programm: https:/ link.springer.com/article/10.1007/s004820050040 ' Kontaktinformationen Günter Lehmann Physiotherapeut und Faszienfit-Trainer und -Therapeut 34549 Edertal info@rueckenfit.de AGR im INTERVIEW mit Ingeborg Trümner, Heilpraktikerin für Buddhistische Psychotherapie, Kursleiterin für Mindfulness-Based Stress Reduction(MBSR)- und Mindful Self-Compassion(MSC)-Kurse, Achtsam- keits- und Meditations-Coachin Ingeborg Trümner Detlef Detjen: Frau Trümner, was hat Sie be- wogen bei der Gründung eines interdiszipli- nären Rückenzentrums mitzuwirken? Ingeborg Trümner: Zunächst finde ich den interdisziplinären Ansatz sehr spannend. Es macht mir Freude in einem Expertenteam gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen, auf Grundlage multimodaler Therpiemöglich- keiten, die Gesundheit von Patienten zu stär- ken. Der Blick auf einen Menschen mit seinen Beschwerden aus verschiedenen Perspektiven ist essenziell, denn nur dadurch ergibt sich ein vollständigeres Bild und eine fundierte Be- handlungsgrundlage. Auf diese Weise können wir unseren Rückenschmerzpatienten gerecht werden. Welche Erfahrungen haben Sie als Heilprak- tikerin für Buddhistische Psychotherapie und Achtsamkeitslehrerin mit Patienten mit Rückenschmerzen? Rückenschmerzen sind ein Volksleiden. Hier macht sich die Last, die wir durchs Leben schleppen, sehr deutlich bemerkbar mit oft er- heblichen Einschränkungen im empfundenen Wohlbefinden. Für mich geht es darum, diese „Last“ zum einen auf der psychischen Ebene zu identifizieren und auch zu benennen und gleichzeitig einen heilsameren Umgang als bisher damit zu finden. Etwa 50 Prozent des Schmerzempfindens kommt nicht aus den vorhandenen körperli- chen Erscheinungen, sondern wie wir darauf reagieren. Anspannung verstärkt die Be- schwerden, Entspannung (in der angespann- ten Phase) erleichtert sie. Wir laufen meistens in automatisierten, un- bewussten Reaktionsweisen auf unliebsame Körperempfindungen zu und kämpfen stark dagegen an. Dies ist kontraproduktiv und ver- stärkt das Schmerzempfinden erheblich. Ein Teufelskreis entsteht. Die Bereitschaft, eine andere Reaktion einzuüben, erlaubt einen völlig anderen Umgang mit den Beschwer- den. Dies ist oft sehr hilfreich und ermöglicht auch den anderen Disziplinen ein anderes Vorgehen. Auf diese Weise können Operatio- nen vermieden und Beschwerden nicht nur am Rücken, sondern am gesamten Bewe- gungssystem vermindert werden. Und sollte dennoch eine Operation vonnöten sein, dann kann auch hier eine andere mentale Haltung gefördert werden, die besonders auch in der Zeit danach zu anderen Ergebnissen führen kann. Worin sehen Sie die Chance und Möglichkei- ten, Rückenpatienten erfolgreich ohne Opera- tion zu helfen? Die Haltung der Budhistischen Psychother- apie ist immer: „Da ist ein Mensch, nicht ein Patient“. Das heißt, ich gehe immer davon aus, dass jeder Mensch in seinem Leben Krisen er- fährt, egal welcher Art. Das ist normal. Ob wir dies als eine Chance betrachten, etwas zu verändern in unserer Haltung dem Leben gegenüber und auch in unserem Lebensstil, das können wir entscheiden. Somit kann aus jeder Krise etwas sehr Positives erwachsen. Zum Beispiel können wir lernen, unsere Be- dürfnisse besser zu erkennen, mehr Verant- wortung für uns selbst zu übernehmen, mehr Mitgefühl für uns selbst (und damit auch für andere) zu entwickeln, Selbstfürsorge zu kulti- vieren. Es sind meist die mentalen unbewus- sten Programmierungen und Glaubenssätze, die uns krank machen. Wie sehen Sie Ihre Rolle in einem interdiszi- plinären RückenGesundheits-Team? Indem ich ressourcenblockierende, negative Glaubenssätze und Selbstbilder und andere hemmende Programmierungen ins Bewusst- sein hole. Durch Übungen aus dem Acht- samkeitskontext ergibt sich überhaupt erst die Chance zu Selbsterkenntnissen, neuen Entscheidungen, Veränderungen und selbst- wirksamem Handeln. Wenn zum Beispiel be- wusst wird, was mich „nährt“ und was mich „zehrt“, kann überhaupt erst eine neue Ver- haltensmöglichkeit gesucht werden. Somit ist dieser Teil, den ich beitrage, eine „mentale Grundlage“ für alles, was an medizinisch not- wendigen Maßnahmen nötig wird. Diese kön- nen dann auch besser greifen und der Erfolg verspricht ganzheitlicher, vollständiger und nachhaltiger zu werden. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Trümner!

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2Mzcy