agr-aktuell-66

23 Interdisziplinäre Fachbeiträge AGR aktuell 2021/66 | Aktion Gesunder Rücken e. V. Schiefstände des Beckens und Muskeldysba- lancen, andererseits kann es zu einem venö- sen Rückstau in den Beinen kommen. Neben der körperlichen Belastung steigt die mentale Beanspruchung durch den notwen- digen Erhalt der Konzentrationsfähigkeit über lange Zeiträume. Außerdem stellen schnelle Wechselzeiten eine Herausforderung für das OP-Personal dar. Ziel der aktiven Bewegungspausen soll daher vor allem die kurzfristige Entlastung der be- anspruchten Muskelbereiche und Strukturen sein. Der Fokus liegt klar auf der Aufrichtung der Wirbelsäule. Die Übungen der Minipause sind so gewählt und zusammengestellt, dass sie eine Ausgleichsbewegung zur Arbeitstä- tigkeit darstellen und so für Entlastung der belasteten Strukturen sorgen. Diese gezielten Haltungswechsel unterbrechen die Bewe- gungsmonotonie und schulen gleichzeitig die eigene Arbeitsergonomie durch Sensibilisie- rung für gesunde Haltungs- und Bewegungs- muster. In der Praxis heißt das: funktionelle Gelenkmobilisation, Muskelanspannung und bewusste Bewegungen in die Ausgleichshal- tung. Eine Aktivierung des Herz-Kreislauf- Systems wirkt den langen Standphasen ent- gegen. Um die Voraussetzungen für einen mentalen Ausgleich zu schaffen, werden gezielt Übung- en kombiniert, die über eine Regulation der Haltung, Bewegung und Atmung, verbunden mit einer Sammlung der Aufmerksamkeit auf diese Prozesse, wirken. Die größte Herausforderung waren dabei sicherlich die Hygiene- und Sterilitätsanfor- derungen im Operationssaal. Trotz dieser be- stehenden Auflagen soll durch einfache und effektive Übungen in kurzer Zeit ein Moment der körperlichen und mentalen Entspannung erreicht werden. Bei der Auswahl der Übung- en wurde darauf geachtet, dass diese einfach und schnell zu erlernen und umzusetzen sind, damit es keines langen „Überlegens“ bedarf. Wie genau läuft so eine Minipause während einer OP ab? Durch ein akustisches Signal wird das OP-Team auf den Start der Minipause aufmerksam gemacht. Der operierende Arzt entscheidet, ob die Pause stattfinden kann. Diese wird nur dann durchgeführt, wenn der Zustand des Patienten und der Stand der Operation sie zu- lässt. Passt es, tritt das Team für zwei Minuten vom Tisch. Per Zufall wird entschieden, ob eine Pause zur körperlichen oder mentalen Entspannung gemacht wird. Was folgt, ist eine Form physi- scher Intervention, zum Beispiel Dehnübun- gen für belastete Muskelgruppen oder eine kognitive Stressentlastung durch Achtsam- keitsübungen. Eine durch das centrumed erstellte Audioauf- nahme begleitet das OP-Team mit kurzen und klaren Anweisungen. Sind die 120 Sekunden abgelaufen, wird die Operation direkt fort- geführt. Obwohl den Minipausen anfangs teilweise mit Belächeln und Skepsis begegnet wurde, erfahren sie nach Ablauf der Studien- zeit eine überwiegend positive Resonanz. Motivationsboost für konzentriertes Arbeiten Die Effekte der Minipausen sind dabei schnell zu erkennen: Die Beteiligten gaben signifikan- te Verbesserungen hinsichtlich des Schmerz- empfindens der Arme, des Nackens und der Schultern an. Die naheliegende Befürchtung, ob eine solche Unterbrechung die Chirurgen oder die OP-Pflege von der Operation ablenkt, beantwortet der Chefarzt Dr. Tepel so: „Wenn man als Operateur den Widerstand gegen das Pausemachen überwunden, zwei Schritte Abstand vom Situs genommen hat und sich bewusst bewegt, verspürt man einen enorm positiven Effekt im eigenen Körper, der sich unter anderem in einer erfrischten Konzentra- tionsfähigkeit äußert.“ „Die Übungen verlei- hen einen Motivationsboost, der dafür sorgt, dass alle hochkonzentriert an den OP-Tisch zurückkehren“, ergänzt ein Operationstechni- scher Assistent den ebenfalls wahrgenomme- nen Effekt. Der Implementierungswunsch ist also gege- ben. Besonders beliebt am Klinikum Osna- brück sind die körperlichen Übungen, die es ermöglichen, den Körper aus fixierten Haltun- gen und Halbrotationen zu befreien. Verena Landmeier und Sebastian Brandt beschreiben außerdem einen weiteren positiven Effekt der gemeinsamen Minipause: Teambuilding. „Die Time-outs auf Dauer durchzuhalten, re- sultiert erfahrungsgemäß aus einer gewissen Verpflichtung gegenüber der Gruppe“, erklärt Brandt. In einer Gruppe falle die individuelle Entscheidung, etwas für die eigene Gesund- heit zu tun, weg und werde durch eine einma- lige, für alle geltende Entscheidung ersetzt. „Das macht es einfacher.“ Die Resonanz im Bereich der Chirurgie ist so positiv, dass die Minipausen auch in Teams an- derer Klinikbereiche integriert werden sollen. Weniger Belastungen in Klinikküche durch kurze Pausen So wurden die aktiven Bewegungspausen nun mit Unterstützung vom centrumed und Verena Landmeier im Sommer 2021 zusätzlich in der Klinikküche, im Bereich der Spülküche und der Portionierung eingeführt. Auch dort gaben die Mitarbeiter immer häufiger Be- schwerden im Bereich des Rückens an, vor allem in der Hals- und Lendenwirbelsäule, die durch lange Stehphasen und einseitige Hal- tungen ausgelöst werden. Die positiven Effek- te wurden hier auch ohne Studienbegleitung schnell deutlich: Die Unterbrechungen führen zu kurzfristiger körperlicher Entlastung mit dem Ziel, genau wie auch im OP, unvermeid- bare Belastungen so zu gestalten, dass einem Verschleiß entgegengewirkt wird. ' Kontaktinformationen Verena Landmeier | centrumed Betriebliches Gesundheitsmanagement AGR-Referentin 49080 Osnabrück Tel.: 0541 2009956 v.landmeier@centrumed.de www.centrumed.de Verena Landmeier

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