agr-aktuell-64
Interdisziplinäre Fachbeiträge 32 AGR aktuell 2020/64 | Aktion Gesunder Rücken e. V. >> Stressmanagement am Arbeitsplatz Selbstorganisation als Schlüssel zur Stressreduktion Bianca Wirtz I Dipl.-Psychologin, Ecker-Fitness „Ich kann grad nicht, ich bin im Stress.“ Wie oft hören wir diesen Satz im Alltag? Das empfundene Stresslevel der Menschen hat in den letzten Jahren merklich zugenom- men, oft unabhängig von Führungsebene und Branche. Dies führt zu einem hohen Krankenstand und wiederum steigendem Stress bei den Kolleginnen und Kollegen, die Ausfälle abdecken müssen. Ein Teufelskreis, der insbesondere in Zeiten des Fachkräfte- mangels manch ein Unternehmen in die Bredouille bringen kann. Warum ist dies so und was bedeutet „Stress“ eigentlich? Das subjektive Stressgefühl und „innere Antreiber“ sind entscheidend „Entdeckt“ wurde das Phänomen 1936 von Dr. Hans Seile als Analogismus zu festen Ma- terialien: Bei Stress verändert sich die Form – auch die des Menschen, insbesondere durch eine erhöhte Ausschüttung des Hormons Cor- tisol. In drei Phasen (Alarm, Widerstand und Erschöpfung) kann sich also ein Mensch von einem tiefenentspanntenMitarbeiter zu einer Furie oder eben einem chronisch Erschöpften entwickeln. Bei chronischem Stress, dem nichts entgegengesetzt wird oder werden kann, endet dies oftmals in einer Erkrankung des Organismus und nicht selten im letzten Stadium, dem Burnout (wenngleich diese Diagnose mit Vorsicht vergeben werden soll- te). Ein wichtiger Mediator ist dabei jedoch die subjektive Bewertung des Stressors, wie der Psychologe Lazarus 1974 in seinem trans- aktionalen Stressmodell herausfand: Nach einer Bewertung des Stressors als potenzi- ell gefährlich oder ungefährlich werden die eigenen Reaktionsmöglichkeiten unter die Lupe genommen. Habe ich das Gefühl, über geeignete Strategien zu verfügen, um der Situation Herr zu werden, reduziert sich das Stressempfinden. Finde ich hingegen keine Lö- sungsansätze, bleibt das Stressempfinden be- stehen und kann sich schlimmstenfalls sogar chronifizieren. Bei der Stressbewältigung selbst kann ich problemorientiert (Verände- rung der Situation) oder emotionsorientiert (Veränderung des Bezugs zur Situation) vor- gehen. Ein weiterer Ansatz ist das Modell der „inneren Antreiber“, welches auf die Transakti- onsanalyse, begründet von Berne und Harris, aus den 50er- und 60er-Jahren zurückgeht und von Kahler 1974 entwickelt wurde. Darin beschreibt Kahler fünf unterschiedliche Kon- zepte, die Personen in stressbehafteten Situa- tionen in ihremVerhalten beeinflussen und in früheren, prägenden Interaktionsprozessen erworben und als hilfreich eingestuft haben. Diese fünf Antreiber sind: { { Sei schnell! { { Sei perfekt! { { Mach es allen recht! { { Sei stark! { { Streng Dich an! In der Regel kommen wir mit „unseren“ An- treibern gut zurecht, doch manchmal können sie sich auch als hinderlich herausstellen, wenn sie in einer spezifischen Situation nicht passend sind. So liegt es in der Natur der Rolle, dass eine Führungskraft es nie allen Beteilig- ten recht machen kann – ist dies aber mein in- nerstes Bestreben, so wird dies in empfunde- nem Stress und Unzufriedenheit resultieren. An dieser Stelle ist es notwendig, die inneren Antreiber zu hinterfragen, sich selbst zu erlau- ben, davon situationsbedingt abzuweichen und mögliche Alternativen zu suchen, mit de- nen man trotzdem noch gut leben kann. So viel zur Theorie, doch was bringt dies im Alltag? Wie kann ich mich im Dschungel meiner täglichen Herausforderungen so neu aufstellen, dass das individuelle Stressempfin- den reduziert wird? Ein erster Schritt ist eine Analyse des Tagesablaufs (und dieser beginnt nicht auf der Arbeitsstelle, sondern zu Hau- se), um potenzielle Zeitfresser zu erkennen und auszuschalten. Fange ich morgens an, zu überlegen, was ich alles tun muss (Früh- stück vorbereiten, Brotdosen fertig machen, Kleidung heraussuchen) oder ist es möglich, einen Großteil davon am Abend vorher zu erledigen? Natürlich stiehlt das ein paar Mi- nuten am Abend, gibt dafür aber einen gro- ßen Batzen Entspannung am Morgen. Fange ich im Büro damit an, erstmal das Intranet zu durchforsten und mich in der Kaffeeküche über Klatsch und Tratsch seit dem letzten Feierabend zu informieren, oder gehe ich lie- ber zuerst meine To-dos des Tages durch und strukturiere sie, um einen zeitlichen Überblick zu bekommen? Oftmals sind es nur Kleinigkei- ten, die einer Veränderung bedürfen, aber zu einer großen Verbesserung im Stressempfin- den führen. Auf das Zeitmanagement kommt es an Nehmen Sie sich die Zeit und fertigen Sie eine Analyse Ihres Tagesablaufs an, insbesonde- re natürlich der Bereiche, in denen Sie sich am meisten gestresst fühlen. Finden Sie die
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2Mzcy