agr-aktuell-64

Interdisziplinäre Fachbeiträge 22 AGR aktuell 2020/64 | Aktion Gesunder Rücken e. V. soll es aber nicht geben. Es bleibt der An- spruch, je nach Tätigkeit und persönlichem Bedarf, eine ausgewogene Balance zwischen Homeoffice und Präsenz im Büro zu finden. Grundsätzlich lässt sich mittels verschiedener Untersuchungen nachweisen, dass Mitar- beiter, die aufgabenbezogen freiwillig (!) ins Homeoffice wechseln können, motivierter und produktiver und seltener krank sind. Unabhängig wie das flexible Arbeiten von zu Hause in Absprache mit dem Unternehmen und laufenden Arbeitsprozessen arbeitsrecht- lich und arbeitszeitlich (an wie viel Tagen/ Woche) abgesprochen wird, die Digitalisie- rung als auch der Bedarf nach mehr Flexibi- lität ermöglichen gegenüber dem Arbeiten im Büro erweiterte Handlungsoptionen im Umgang mit Körper (physiologische Verhal- tensweisen), Ort (wo wird gearbeitet) und Zeit (wann wird gearbeitet). Die Diversität der menschlichen Bedarfe erfordert flexible Strukturen und Angebote Bei allen Forderungen nach mehr Flexibili- tät steht immer ein Ziel im Vordergrund: die Gesunderhaltung des Menschen als Ganzes. Aus diesem Grund reichen die im Folgenden gemachten Vorschläge – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – über eine lineare Empfeh- lung zum „richtigen“ Einsatz der Arbeitsmittel hinaus. Das komplexe physiologische System des Menschen benötigt vielseitige Reize, um sol- che Wirkprozesse zu generieren, die einen ausgewogenen körperlichen, geistigen und emotionalen Gesundheitszustand herstellen (Breithecker 2017). Und die Chancen dafür sind beim Arbeiten zu Hause größer als an einem Büroarbeitsplatz. Jeder Einzelne aber muss seine neue Tagesstruktur und Arbeits- routine erst einmal finden. Entfernen Sie Ablenkungen Die Arbeit im Homeoffice hat viele versteckte Ablenkungen und Versuchungen. Sollte es die räumliche Aufteilung ermöglichen, richten Sie sich einen ablenkungsarmen „Kernarbeits- platz“ ein. Das macht die Trennung zwischen Privatleben und Arbeit leichter und ermöglicht fokussiertes Arbeiten. Sollte kein geeignetes Arbeitszimmer verfügbar sein, empfiehlt sich zumindest ein ausgewiesener Arbeitsplatzbe- reich (z. B. Ecke eines Zimmers). Ob Sie hierfür einen ergonomischen Bildschirmarbeitsplatz benötigen, wie Sie ihn vom Büro gewohnt sind, liegt an Ihren persönlichen Neigungen und Gewohnheiten. Sind Sie ein „sesshafter“ Mensch, was Sie nach gegenwärtiger Forschungslage nicht sein soll- ten, dann sollten die Arbeitsmittel optimal sein. Orientieren Sie sich mehr an den folgen- den gesunderhaltenden Empfehlungen, wäre eine zumindest höhenverstellbare, temporär zu nutzende Sitzgelegenheit, ausreichend. Achten Sie auf regelmäßige Haltungswechsel Folgen Sie dem Prinzip: „Die nächste Haltung ist immer die beste“. Auch wenn beispielswei- se Sofa, Gartenstuhl, Bistrotisch etc. keine Dauerlösung sind – sich für ein paarMinuten – aufgabenbezogen anders und woanders zu platzieren, sorgt für regelmäßige und damit physiologische Be- und Entlastungen und lockert auf. Grundsätzlich ist es ratsam, ver- schiedene Orte für verschiedene Arten von Ar- beit zu wählen. Das hat Signalwirkung. Dein Unterbewusstsein weiß dann sofort: Aha, hier entspanntes Lesen und Bearbeiten von Mails, dort werden Texte verfasst. Vermeiden Sie soziale Isolation Im Homeoffice sollte der Austausch mit Kolle- ginnen und Kollegen nicht zum Erliegen kom- men. Die technologischen Errungenschaften machen es Ihnen leicht, die Kommunikation aufrecht zu erhalten, auch wenn diese meist professioneller Art ist. Das klassische Cafe- teria-Gespräch fällt weitestgehend weg. Gerade wenn Sie allein leben, kann das psy- chisch belasten. Organisieren Sie für den wichtigen Small Talk oder den stimulierenden Ortswechsel Aktivitäten, wo diese stattfinden können. Gehen Sie beispielsweise zum Bäcker, drehen Sie Ihre Runden, verlegen Sie Arbeitsprozesse ins öffentliche Café oder den naheliegenden Park. Integrieren Sie Pflanzen, Bewegen Sie sich regelmäßig in der Natur Wenn wir „Natur“ in unseren täglichen Le- bensalltag integrieren, sei es durch Pflanzen in der Wohnung oder durch Spaziergänge im Park oder imWald, hat dies nachweisbare Vor- teile auf unser komplexes physiologisches Sys- tem. Wissenschaftlich belegt ist, dass es den Stress der Menschen reduziert, die geistige Gesundheit verbessert, den Serotoninspiegel erhöht und das Immunsystem stärkt. Grundsätzlich berichten Menschen von ei- nem deutlich höheren Wohlbefinden, die in Umgebungen mit natürlichen Elementen (Tageslicht, helle Räume, frische Luft, Pflan- zen) arbeiten können. Schaffen Sie sich Denknischen Grundsätzlich sind Sie zu Hause flexibler, was das Organisieren Ihrer Pausen betrifft. Wenn Sie gedanklich in eine Sackgasse geraten, ge- hen Sie eine Viertelstunde in den Garten oder setzen Sie sich auf die Terrasse/den Balkon und lassen Sie Ihre Blicke schweifen. Auch ein Power-Nap auf dem Sofa oder ein Spaziergang im Freien (siehe Punkt zuvor) hat einen posi- tiven Einfluss auf weitere Arbeitsprozesse. Die soeben beschriebenen Beispiele sind kei- ne Zeitverschwendung, sondern eine aktive Form des Müßiggangs und ermöglichen eine Gedankenkonsolidierung, einen wichtigen Beitrag zur „mentalen Haushaltsführung“. Nutzen Sie Ihre Hochphasen Wir haben alle unseren ganz eigenen Bio- rhythmus mit unterschiedlichen Hoch- und Leistungsphasen. Die „Lerchen“ eher morgens und die „Eulen“ eher später im Verlauf des Tages. Entscheidend dafür ist die sogenannte Chronobiologie. Der Organismus, also Stoff- wechsel, Organtätigkeit, Konzentrationsfä- higkeit – alles schwankt während des Tages

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